CORINNA NOACK
Polymorphe Fotografie

Seit 2007 entwickele ich die polymorphe Fotografie.
Diese von mir etablierte Stilrichtung kann auch als "fotografische Malerei" eingeordnet werden und ist die Technik,
mit der ich meinem künstlerischen Anliegen am wirkungsvollsten Ausdruck verleihen kann.
Durch gezielte Bewegungen der Kamera beim Aufnahmevorgang entstehen abstrakt wirkende Fotos,
die sich bei genauerem Betrachten zu rätselhaften Bildern entfalten.
Es werden Strukturen, Situationen und Handlungen sichtbar, die dem menschlichen Auge sonst verborgen bleiben.
Farben und Formen erzeugen dabei Stimulanzen, die über die visuelle Wahrnehmung hinausgehen,
so werden Stimmungen uns Assoziationen ausgelöst, die nicht unseren gewohnten Wiedererkennungsmustern entsprechen.
Um uns herum passiert zu jeder Zeit viel mehr, als wir bemerken und uns vorstellen können.
Ich versuche mit meinen Bildern eine Ahnung von diesem "Mehr" einzufangen, es greifbar bzw. sichtbar zu machen.

Mein künstlerisches Anliegen ist es, etwas Unerkanntes, Unvorstellbares sichtbar zu machen und den Rezipienten dafür zu sensibilisieren,
dass alles auf und in dieser Welt aus unendlich vielen Perspektiven gesehen und wahrgenommen werden kann, und wird.
Dabei ist jede existente Ansicht in diesem Moment für diesen Wahrnehmenden wahrhaftig und funktioniert, sie ist viabel.
Also kann Wahrheit für jedes Individuum und für jeden Zeitpunkt anders aussehen.
Die Grundlage des radikalen Konstruktivismus ist es, dass wir die Wirklichkeit nie als das erkennen können, was sie wirklich ist
und was dieses wirklich überhaupt bedeutet.
Neurobiologische Erkenntnisse stützen die Theorie, dass das menschliche Gehirn die Umwelt nur sehr bruchstückhaft verarbeitet.
Von den Milliarden möglichen Elementen der Umwelt, die der menschliche Wahrnehmungsaparat pro Sekunde wahrnehmen könnte,
kann er zwar potentiell Millionen empfangen, im Gehirn selbst werden aber nur eine einstellige Zahl davon verarbeitet.
Um die Löcher zu stopfen arbeitet unser Gehirn selbstrefferentiell, d.h. es konstruiert und interpretiert permanent fehlende Elemente
aus persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen dazu.
Folglich ist Wahrnehmung keinesfalls die Abbildung einer "absoluten" Wirklichkeit sondern immer individuelle Interaktion.
Indem wir Fotos und Bilder betrachten, auf denen nicht auf den ersten Blick bekannte, gewohnte Bilder zu erkennen sind,
und dem Gehirn gestatten nach und nach traumhafte Bilder entstehen zu lassen, die alten Sehgewohnheiten zu überwinden
und neue Verknüpfungen und Gestaltungsebenen zu entdecken, kann eine Veränderung des eigenen Konstrukts stattfinden.
Das bedeutet Lernen und Entwicklung; und nur ein sich weiter entwickelndes System kann Leben.